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Heldengeschichten – Was und welche Kultur
ist uns wie viel wert?

Ein Gastbeitrag Bernd Wagner

Bertolt Brecht hat einmal sinngemäß gesagt, dass es um ein Land, das Helden nötig hat, schlecht bestellt sei. In Marburg und über Marburg hinaus werden seit Herbst vergangenen Jahres dringend »Helden gesucht«. Absender der Helden-Kontaktanzeige ist das KFZ. Wie auf der aktuellen »Zwischenbilanz der Heldenkampagne« auf der KFZ-Hompage zu lesen ist, war der Aufruf nicht erfolglos, auch wenn die 40 000 Euro-Deckungslücke für 2005 bei weitem noch nicht geschlossen ist und dringend weitere Sympathisanten, Freunde, Förderer und Mäzene – »Helden eben!« – gesucht werden. Diesen Aufruf unterstütze ich, aber nicht – wie man sonst rasch dazu schreibt oder sagt – »gern«.

Dass ich es »ungern« mache, hängt am aller Wenigsten mit der Arbeit des KFZ, die ich sehr schätze, zusammen, sondern damit, dass solche »Helden«kampagnen in Marburg und anderswo zwar zum Überleben im laufenden und vielleicht im kommenden Jahr helfen und überlebensnotwendig sind. Aber danach ist der nächste finanzielle Notstand oft schon absehbar. Deshalb haben beide, das KFZ und Brecht, Recht. Die einen, weil sie in einer Notlage eine »heldenhafte« Unterstützung anmahnen und einfordern, der andere, weil er aus Erfahrung wusste, wie es um die Situation bestellt ist, wenn Helden benötigt werden.

Die Erfahrung von Mittelkürzungen machen seit einigen Jahren zunehmend mehr Kultureinrichtungen in nahezu allen Städten der Republik. Sie gehört inzwischen zum Alltag ebenso wie die Streichung ganzer Etatposten und auch die Schließung von Kultureinrichtungen. Das bezieht sich auf die Kulturpolitik in vielen Kommunen und inzwischen auch in fast allen Bundesländern. Die finanzielle Situation des KFZ ist so durchaus Teil und Ausdruck eines allgemeinen Umgehens von Kultur- und Haushaltspolitik mit kulturellen Einrichtungen.
Das zu wissen ändert die Situation keinen Deut und bringt keinen Euro mehr in die leere KFZ-Kasse. Aber gerade in einer Zeit, in der konkrete Hilfe dringender denn je notwendig ist, sollte der Blick auch auf die Bedingungen gerichtet werden, die zu dieser Situation geführt haben, in der sich das KFZ – und eben nicht nur das KFZ – befindet.

Auch wenn absehbar ist, dass eine allgemeine Steigerung der öffentlichen Kulturausgaben zumindest auf mittlere Sicht nicht realistisch ist, da sich die öffentlichen Haushalte in einer strukturellen Krise befinden, muss sich jede Kommune und jedes Bundesland fragen (lassen), was ihr die Kultur allgemein und die einzelnen Kultursparten und -einrichtungen Wert sind.
Die Stadt Marburg gibt weniger als vergleichbare Städte ihrer Größenordnung für Kultur aus. Im »Kulturentwicklungsplan Marburg-Kulturprofil 2005« wird als angestrebtes Ziel 5 Prozent des Gesamthaushaltes für Kultur angegeben. Würde es umgesetzt, wäre vermutlich keine KFZ-Heldenkampagne notwendig. Noch gravierender ist die Situation auf Landesebene – die gegenwärtige Notlage des KFZ ist ja vor allem wegen der gekürzten Landesmittel entstanden. Bei den öffentlichen pro-Kopf-Kulturausgaben der Bevölkerung liegt Hessen unter dem bundesdeutschen Durchschnitt, bezogen auf die Wirtschaftskraft sogar an letzter Stelle aller 16 Bundesländer (nach »Kulturfinanzbericht« des Statistischen Bundesamtes). Hier gibt es nicht nur Diskussions-, sondern auch Handlungsbedarf.

Aber es geht nicht nur allgemein darum, wie viel der Stadt oder dem Land die Kultur und Kunst Wert sind, sondern auch darum, welche Art von Kultur mit wie viel öffentlichen Mitteln unterstützt wird und wo bei Kürzungen die stärksten Einschnitte gemacht werden.
Das ist natürlich eine Debatte, der gern ausgewichen wird, weil sie schwierig ist und ein scheinbares Grundeinverständnis in Frage stellt. Aber die Kürzungen im Kulturbereich der letzten Jahre haben eine deutliche Signatur: am stärksten wird in der Regel im Freien Bereich gekürzt, das heißt bei den Einrichtungen, die nicht in kommunaler oder staatlicher Trägerschaft sind, und dabei vor allem im Bereich der Soziokultur und der kulturellen Bildung. Erst wenn diese Kürzungen nicht ausreichen, werden auch die »eigenen«, die kommunalen und Landeskultureinrichtungen, von der »Einspar«-Politik nicht ausgenommen und auch Zuwendungen für die großen traditionellen und prestigeträchtigen Kunst- und Kultureinrichtungen gekürzt. Zumindest auf hessischer Ebene hat das der letztjährige Kulturhaushalt noch einmal sehr deutlich gezeigt.

Es geht um das KFZ, aber nicht nur darum. Es geht auch um eine (kultur-)politische Auseinandersetzung darüber, was und welche Kultur einer Stadt und einem Land wie viel Wert ist. Wenn die »Heldensuche« des KFZ auch hierzu einen Anstoß gibt, wird damit für die langfristige Sicherung des KFZ und der kulturellen Vielfalt in Marburg und Hessen ein wichtiger Beitrag geleistet.

 

Bernd Wagner,

Jg. 1948; wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft in Bonn und verantwortlicher Redakteur der Kulturpolitischen Mitteilungen; wohnhaft in Frankfurt/Main; in Marburg unter anderem an der Diskussion um die Kulturentwicklungsplanung »Kulturprofil 2005« und der Erstellung der »Expertise über die soziokulturelle Infrastruktur in Marburg« beteiligt sowie im SS 2004 Lehrauftrag am Institut für Europäische Ethnologie/Kulturwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg.


Kommentare und Meinungen zur KFZ-Situation können in unserem Gästebuch hinterlassen werden.

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