WM-Fankurve KFZ
Damals hat die halbe Nation hinter dem Fernseher gestanden!
Hat der Franz, heute Kaiser, in all seiner Weisheit gesagt. Damals,
das war 1990 und das deutsche Team stand im Finale der WM in Italien.
Heute haben wir 2006, die Fußball-WM heißt jetzt FIFA
Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006, Stadionkarten
gibts nur für viel Geld und gegen persönliche Daten
und da das ganze Gedöns im eigenen Land stattfindet, wird wohl
diesmal mehr als die halbe Nation mit bunten Landesflaggenfarben-Kunsthaar-Perücken
ihre Mannschaft hinter dem Fernseher entweder bejubeln
oder verdammen.
Dieser Begeisterungswelle kann natürlich auch das KFZ nicht
widerstehen und zeigt nach der sehr gefragten satirischen Lesung
von Ex-Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn und dem Kabarett
Ballzauber: Wenn Männer fühlen
(Seibel
& Wohlenberg feat. Ehring) beide schon im Mai
im Rahmen der Fußballreihe Fankurve KFZ einige
Spiele auf der großen Leinwand.
Begleitet wird das Ganze von der Ausstellung WM-Fankurve
KFZ Fußball zwischen Rassismus & Kommerz?,
die einen eher kritischen Blick hinter die Plakate der schönen
bunten FIFA-Welt wirft und sich in Texten, Fanberichten und Bildern
mit dem aktuellen Wandel der Fußball-Kultur beschäftigt.
Die Welt zu Gast bei Freunden klingt zwar schön,
entspricht aber nicht unbedingt dem Stadionalltag.Eine sich scheinbar
stetig steigernde Kommerzialisierung macht sich in Clubs und Stadien
bemerkbar und hat entscheidenden Einfluss auf die Fankultur. Stehplätze
in den Stadien werden rar und die Eintrittskarte damit wegen steigenden
Komforts auf Grund des Sitzplatzes für den Besucher natürlich
teurer. Zumindest die erste Liga bleibt damit dem finanziell weniger
gut gestellten Fan häufig versagt. Die Versitzplatzung der
Stadien spielt auch sicherheitstechnisch eine Rolle: es ist für
die Sicherheitsdienste viel leichter, eine sitzende Menge, bestückt
mit überteuerten offiziellen Vereinsfanartikeln (man will seine
Mannschaft ja schließlich auch optisch unterstützen),
zu überwachen und Krawallmacher zu entfernen. Der
kritische, aktive Fan wird scheinbar auf Wunsch der Vereine so zum
passiven Konsumenten degradiert.
Sicherlich gibt es auch Besucher von Fußballspielen, die sich
massiv gegen Regeln widersetzen, Gewalt ausüben und andere
Fans gefährden. Großveranstaltungen wie ein Bundesligaspiel
brauchen auch eine Begleitung durch Ordnungskräfte. Doch diese
übertreiben ihren Arbeitseifer zuweilen und werden selbst zumindest
zu einem Ärgernis auch für friedliche Fans, sei es durch
Filzen bis auf die Fan-Unterwäsche am Eingang, Beschlagnahmung
von Fanartikeln ohne ausreichende Quittierung, pauschale, im Einzelfall
ungerechtfertigte Gruppen-Stadionverbote bis hin zu anonymisiertem
Gewalteinsatz mit Sturmhauben oder ohne die gesetzlich vorgeschriebenen
Ordnerkennnummern.
Gegen diesen von vielen Fans als negativ empfundenen Wandel der
Fankultur im Fußball haben sich zahlreiche alternative Fanformen
und -initiativen gebildet. BAFF, das Bündnis Aktiver Fußball-Fans,
ist eine von ihnen. BAFF bietet Ausstellungen und Informationen
zu den Themen Kommerzialisierung, Repression, Rassismus und Sexismus
im Stadion und zwingt die Vereine mit der Veröffentlichung
von Schikanen gegen Fans zu Rechtfertigungen, z.B. mit der Verleihung
des Goldenen Schlagstock, einer Trophäe für
den Ordnungsdienst bzw. die Polizei eines Spielortes, der/die die
Fans jeweils am repressivsten behandelt hat.
Viele Faninitiativen positionieren sich auch eindeutig gegen Rassismus
im Stadion, z.B. die Begrüßung schwarzer
Spieler von rechten Fans im Publikum mit affenähnlichen Uh-Uh-Uh-Rufen,
und fordern die Vereine auf, Strategien zu erarbeiten, um rassistische
Tendenzen zu bekämpfen. Ein internationales Projekt, das sich
diesem Ziel widmet, ist die Mondiali Antirazzisti, die antirassistische
Fußball-WM in Montevecchio/Italien, die die Ausstellung ebenfalls
vorstellen möchte. Hier wurde von Fußball-Faninitiativen
in Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen eine Art interkulturelles
Fußball-Festival geschaffen: Teams aus verschiedenen Ländern
lernen hier buchstäblich, was es heißt, zusammen zu spielen.
Das Festival ist kostenlos, Camping und verschiedene Festival-Küchen
sind vorhanden und abends spielen ebenfalls internationale
Bands.
Hört sich nach Spaß an, hätte wohl jetzt auch Lotte
Specht gesagt, wahlweise Die flotte Lotte oder Schande
in kurzen Hosen genannt. Sie gründete 1930 den ersten
Fußball-Verein für weibliche Spieler und stieß
damit auf allerlei Hindernisse von Seiten der männlichen Kollegen.
76 Jahre später ist das deutsche Frauenfußball-Team Welt-
und Europameister und weibliche Fans eigentlich nichts Besonderes
mehr, aber einige Vorurteile halten sich dennoch hartnäckig.
Schluss damit! dachten wir uns und reden hier Tacheless,
meine Herren!
Außerdem möchten wir uns an dieser Stelle noch einmal
ganz herzlich für die materielle und inhaltliche Hilfe der
Schalker Faninitiative, Terre de Femmes und des Marburger Weltladens
bedanken.
So, wer nach so vielen Infos noch nicht genug hat von König
Fußball oder sich mal eine der alternativen Fan-Initiativen
live und in Action angucken will, ist dann definitiv richtig bei
der Bunte-Liga-Party am 10. Juni
nach dem Spiel
Argentinien-Elfenbeinküste, versteht sich!
Damit wünscht das KFZ viel Spaß während eines Fußball-Sommers,
in dem wohl in jedem Fall gilt: Das sind Gefühle,
wo man nur schwer beschreiben kann!(Klinsi nach EM-Gewinn
1996).
In diesem Sinne,
Anna-Lena Flügel
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